Die Orgel – modern und doch verkannt

Denkanstöße von Dr. Sixtus Lampl

Orgelmuseen gibt es in Deutschland nicht gerade wenige. 

Das zeitlich Erste befindet sich im ehemaligen Rathaus von Borgentreich (www.orgelmuseum-borgentreich.de) als Hinweis auf ein historisch bedeutendes Instrument in der dortigen Kirche. Andere Schaustücke stehen in Räumen von Orgelbau-Werkstätten als Dokumente, wie deren eigene Werke früher ausgestattet waren. Schließlich als dritte Variante gibt es Orgelmuseen mit Instrumenten von unterschiedlichen Orgelbau-Werkstätten aus verschiedensten Zeiten.

Diese dritte Variante begann mit einer Rettungsabsicht. Die einst im Landshuter Martinsmünster stehende große Johann-Heinrich-Koulen-Orgel aus den Jahren 1912-14 sollte 1980 ausgebaut werden, um einer neuen Orgel Platz zu machen. Zu diesem Zeitpunkt war sie die letzterhaltene romantische Großorgel von ganz Bayern. Alle weiteren waren angesichts der damaligen Romantik-Geringschätzung bereits beseitigt.

Rettung vor der Vernichtung

Dr. Sixtus Lampl vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, der seit 1980 bestellte erste Orgeldenkmalpfleger eines deutschen Denkmalamtes, konnte deren Entfernung nicht verhindern. Die Orgel diente wie Volksaltar und Ambo der Liturgie und fiel daher nicht unter das Denkmalschutzgesetz.

Also bemühte sich Dr. Sixtus Lampl um die Weitervermittlung des abgebauten Werkes an andere Großkirchen, was jedoch am Veto der kirchlichen Obrigkeitsstellen scheiterte. So blieb nach über dreijährigen Versuchen nichts als eine weltliche Aufstellung. Das war der Anfang eines privaten Orgelmuseums im baufälligen Alten Schloß Valley, das zunächst 1989 und 1990 von Dr. Sixtus Lampl selbst instandgesetzt werden musste.

Eine Kirche wird zum Orgelmuseum

Bald danach folgte ein weiterer Initial-Fall. In der nicht mehr benötigten, weil baufälligen Franziskanerkirche in Kelheim rettete Dr. Lampl als zuständiger Denkmalpfleger das Bauwerk, indem er es einer neuen Verwendung zuschrieb. So wurde die Franziskanerkirche zum Orgelmuseum Kelheim mit der Präsentation von vier Werken unterschiedlicher Orgelbauer aus der umliegenden Region.

Geradezu überrannt wurde Dr. Sixtus Lampl und seine Ehefrau, die ihn in seiner Idee von Anfang an unterstützte, von den nachfolgenden Ereignissen. Instrumente, die noch aus der Bauzeit der Romantik stammten, waren bei den Organisten der Kirchen nicht mehr beliebt. Es war modern, barocke – ehrlicherweise nur „neo-barocke“ Klangbilder zu präsentieren.

Abgeschriebene Orgelschätze

Auf Mahnungen der Denkmalpflege brauchte man nicht zu hören. Also öffnete Dr. Sixtus Lampl die Türen in Valley und stellte ein halbes hundert kleine und ganz große Orgeln, die wie zu dieser Zeit üblich zerstört worden wären, in den Räumen des Alten Schlosses auf.

Unterdessen geschah das nicht nur in Bayern. In Heidelberg aus der ehem. Jesuitenkirche, in Hamburg aus der Kirche des Schröderstiftes, in Magdeburg im Remter des Domes, in Wehr in der Diözese Freiburg, ja selbst im Tiroler Rattenberg wollte man sich zu Ende des 20. Jahrhunderts von Instrumenten trennen. Freilich weniger die Zuhörenden als vielmehr die Organisten! So wuchs der Fundus an historischen Orgel-Schätzen im Alten Schloss Valley.

Die Orgel als Universalklang-Gestalter

Mit Beginn des 21. Jahrhunderts setzte behutsam die Erkenntnis ein, dass die Orgelmusik nicht länger die Romantik außer Acht lassen dürfe. Da aber die großen Instrumente bis auf wenige unwiderruflich beseitigt waren, versucht es der Orgelbau nun, romantische Klangbilder in nachbarocke Werke zu integrieren. Aber das ist teuer! Im Gegenzug gilt die Orgel als Universal-Instrument.

Von der Kirche vereinnahmt

Nur: Das Älteste unserer, heute gebräuchlichen europäischen Musikinstrumente – zwei Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung im Prinzip entwickelt – ist immer noch verkannt: Ist das einst rein weltliche Instrument zu sehr von der Kirche vereinnahmt worden? Ist es zu sehr dominant, als dass es von der Allgemeinheit als ihr eigenes Instrument angesehen würde? Oder kommt es an die Gegenwarts-Menschen zu wenig heran?

Ein Instrument für alle

Die Orgel ist ein Instrument mit einem unendlichen Klangreichtum in den mannigfaltigsten Klangnuancen, das viel Können und Wissen vom Organisten erfordert. Wer die Orgel als tragendes Instrument liebt, wird künftig nichts unterlassen, es auch anderen Menschen näher zu bringen.

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